Die sogenannte Einschlusskörpermyositis (inclusion body myositis, IBM) ist eine chronische, schleichend fortschreitende entzündliche Muskelerkrankung, die auch mit degenerativen Prozessen – mit Muskelschwund, insbesondere an Armen und Beinen – einhergeht. Die Ursachen und Mechanismen, die dem Fortschreiten der Erkrankung zugrunde liegen, sind bislang weitgehend ungeklärt. Entsprechend gibt es keine wirksame Therapie. Die Einschlusskörpermyositis gilt als die häufigste entzündliche Muskelerkrankung älterer Menschen. Auch deshalb ist es von größtem Interesse, neue Erkenntnisse über deren Pathomechanismen zu gewinnen und mögliche therapeutische Ziele zu identifizieren.
Eine internationale Studie unter Federführung von Wissenschaftlern der Neurologischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), Sektion Neuroimmunologie, und des Myositis Center der Johns Hopkins Medical School, hat auf der Basis von hochmodernen Einzelzell-RNA-Sequenzierungsverfahren aus Muskelbiopsien von Patienten wertvolle neue Erkenntnisse über molekulare Veränderungen gewonnen, die mit der IBM-Pathogenese einhergehen. Die Wissenschaftler stellten beispielsweise fest, dass bestimmte Muskelfasertypen (Typ 2A) besonders anfällig für die pathologischen Prozesse im Rahmen der Einschlusskörpermyositis sind – assoziiert mit genetischem Stress der Zellen und nachweisbar durch einen Anstieg entsprechender Marker wie GADD45A, was auf eine ausgeprägte Schädigung der DNA im Zellkern hinweist.
Darüber hinaus entdeckten die Wissenschaftler Hinweise auf eine mögliche Dysfunktion der Acetylcholinesterase (ACHE) in der entzündeten Muskulatur von IBM-Patienten. Dieses Enzym spielt eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung zwischen Nervensystem und Muskulatur. Die Forscher fanden vermehrt eine bestimmte, nicht für einen Eiweißstoff kodierende, sogenannte long non-coding RNA (lncRNA) mit dem Namen NORAD. „Aus früheren Studien wissen wir, dass NORAD sogenannte Pumilio-Proteine reguliert, was wiederum zu einer vermehrten Aktivität des Enzyms Acetylcholinesterase führen kann“, sagt Sven Wischnewski von der Universitätsmedizin Mannheim, einer der Erstautoren der vorliegenden Studie.
Bei der Myasthenia gravis, einer autoimmun-vermittelten neurologischen Erkrankung, bei der die Signalübertragung zwischen Neuron und Muskel gestört ist, werden seit Jahren Medikamente eingesetzt, die die Aktivität der Acetylcholinesterase hemmen, um damit Symptome bei den Patienten zu verbessern. „Die von uns beobachteten molekularen Veränderungen passen daher gut zu Untersuchungsbefunden in der Muskulatur von Patienten mit Störungen der Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel“, ergänzt Sven Wischnewski.
„Wir haben mit dieser Studie neue und potenziell therapierbare Mechanismen identifizieren können, die helfen könnten geschädigte Muskelfasern langfristig zu schützen und deren Widerstandsfähigkeit zu fördern“, sagt Professor Dr. Lucas Schirmer, Leiter der Sektion Neuroimmunologie an der UMM, der zusammen mit Professor Dr. Thomas E. Lloyd (Baylor College of Medicine / Johns Hopkins Medical School) einer der korrespondierenden Autoren der aktuellen Studie ist. Die Erkenntnisse sind wichtig für ein besseres Verständnis der molekularen Krankheitsmechanismen bei der Einschlusskörpermyositis im Speziellen. Sie bieten aber auch neue therapeutische Ansatzpunkte für entzündliche Muskelerkrankungen im Allgemeinen.
An der Arbeit sind neben den Forschern der Universitätsmedizin Mannheim und der Johns Hopkins Medical School außerdem Wissenschaftler aus der Universitätsmedizin in Mainz, Ulm und Berlin sowie der University of California in Santa Cruz, USA, beteiligt. Die Ergebnisse der Studie sind aktuell im renommierten Journal Nature Aging veröffentlicht.
Publikation
Wischnewski, S., Thäwel, T., Ikenaga, C. et al.
Cell type mapping of inflammatory muscle diseases highlights selective myofiber vulnerability in inclusion body myositis.
Nat Aging (2024).
DOI: https://doi.org/10.1038/s43587-024-00645-9