Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) will mittels Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) die Versorgung von Patienten mit Rektum-Karzinom verbessern. Das Team* setzt sich aus erfahrenen Studienleitern (PIs) der Bereiche Radiologie, MRT-Physik und Informatik zusammen.
Das Projekt** ist in ein bundesweites Schwerpunktprogramm (SPP2177) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingebettet. Unter dem Titel "Radiomics: Nächste Generation der Medizinischen Bildgebung" umfasst das Programm insgesamt 17 Projekte deutschlandweit und wird mit insgesamt mehr als acht Millionen Euro für drei Jahre von der DFG gefördert.
Wie in allen Projekten des Schwerpunktprogramms geht es auch in Mannheim im Kern darum, eine automatisierte Auswertungsmethode zu entwickeln, die aus vorhandenen medizinischen Bilddaten, etwa von MRT und CT, bislang nicht erschlossene Bildinformationen extrahiert und damit eine deutlich differenziertere Diagnostik und Behandlungskontrolle möglich macht.
Das Rektum-Karzinom ist ein bösartiger Tumor im letzten Darmabschnitt. Obwohl sich die Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der auch als Enddarmkrebs bezeichneten Erkrankung in den vergangenen Jahren verbessert haben, hat sich das Rektum-Karzinom zur dritthäufigsten Krebs-Todesursache entwickelt. Hauptursache ist die schwere Vorhersage des Therapieansprechens aufgrund der Heterogenität dieser Erkrankung: Innerhalb des Tumors verbergen sich unterschiedliche Tumorzellpopulationen, mit unterschiedlichen molekularen und phänotypischen Profilen, die mit den üblichen Methoden der Diagnostik kaum nachweisbar sind und daher die Entscheidung für die "richtige" Therapie erschweren.
Um die Versorgung von Patienten mit Rektum-Karzinom zu verbessern, haben sich die Wissenschaftler in Mannheim vorgenommen, eine Radiomics- und Deep Learning-basierte Signatur für Rektum-Karzinome zu entwickeln. Diese soll automatisiert die verschiedenen Tumorphänotypen decodieren und im Zusammenhang mit Histopathologie und genomischen und klinischen Parametern das Ansprechen des einzelnen Patienten auf eine Therapie besser vorhersagen können.
Beim Einsatz von Radiomics werden Bilddaten systematisch, rechnergestützt analysiert. In Kombination mit maschinellem Lernen kommen dabei Werkzeuge der Bildanalyse zur Anwendung, die bei der Befundung in der klinischen Routine bislang keine Rolle spielen. Durch die softwarebasierte Klassifikation der Bilddaten können dabei gezielt Korrelationen zwischen radiologischen, klinischen und molekularbiologischen Daten hergestellt werden.
"Wir erhoffen uns von unserem Projekt, in der Zukunft Rektum-Karzinome mit einer Genauigkeit charakterisieren zu können, von der wir heute, wo wir uns bei der Auswertung der radiologischen Befunde vor allem auf unsere Augen verlassen müssen, nur träumen können", so Professor Dr. Ulrike Attenberger, eine der Leiterinnen der Studie.
Wichtiges "Werkzeug" für die Erstellung der Signatur sind nicht nur die verfügbaren Methoden aus den Bereichen Radiomics, Künstliche Intelligenz und Computervision. Auch der gut strukturierte Datensatz einer prospektiven Multicenterstudie (CAO-ARO-AIO-12 Studie), der CT-Daten zur Bestrahlungsplanung, multiparametrische MRT-Daten vor und nach der Therapie, histopathologische Informationen sowie klinische und genomische Daten umfasst, auf den die modernen Methoden der KI angewendet werden, ist Kern des Projektes.
Das "Produkt" am Ende des Projektes soll für die zukünftige Verwendung und Forschung frei verfügbar sein und wird daher auf der Grundlage verfügbarer Open-Source-Methodik entwickelt. "Wir hoffen, dass es uns gelingen wird, eine Anwendung zu entwickeln, die breiten Eingang in die klinische Routine finden wird", sagt Professor Dr. Jürgen Hesser.
**Projekttitel
"Prädiktion von Therapieansprechen und Outcome beim lokal fortgeschrittenen Rektum-Karzinom mittels Radiomics und Deep Learning: eine beispielhafte Anwendung für eine allgemein verwendbare, Deep Learning basierte Prozessierungs-Pipeline für die Bild-Klassifikation"
*An dem Projekt Beteiligte
Prof. Dr. Ulrike Attenberger
Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Universitätsklinikum Bonn (ehem. IKRN UMM)
PD Dr. Bettina Baeßler
Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie
Universitätsspital Zürich (ehem. IKRN UMM)
Prof. Dr. Jürgen Hesser
Data Analysis and Modeling in Medicine
MIiSM, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Prof. Dr. Ing. Frank Gerrit Zöllner
Computerunterstützte Klinische Medizin
MIiSM, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Zwei der vier Antragsteller haben inzwischen ihre Karriere an anderen Universitätsklinika ausgebaut, die anderen beiden sind Mitglieder des an der Medizinischen Fakultät angesiedelten Mannheimer Institut für intelligente Systeme in der Medizin (MIiSM).