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Chronisches Darmversagen (Intestinal Failure)
Das chronische Darmversagen ist eine seltene Erkrankung im Kindesalter. Bei dieser Erkrankung ist die Darmfunktion erheblich verringert, sodass die Absorption von Mikro- und Makronährstoffen, Wasser und Elektrolyten für das Wachstum und die Entwicklung der betroffenen Patienten unzureichend ist. Die Folge des chronischen Darmversagens ist eine Gedeihstörung, so dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen auf parenterale Ernährung angewiesen sind.
Im Kindesalter wird chronisches Darmversagen meist durch ein Kurzdarmsyndrom verursacht. Das Kurzdarmsyndrom entsteht, wenn Teile des Dünn- und/oder Dickdarms aufgrund angeborener oder erworbener gastrointestinaler Erkrankungen fehlen, was zu einer signifikanten Malabsorption führt. Zu den Ursachen gehören angeborene Fehlbildungen (wie Atresien, Bauchwanddefekte, Neurocristopathien), Entzündungen (wie nekrotisierende Enterokolitis und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen) und Durchblutungsstörungen (wie Volvulus und Laparoschisis, Thrombosen), sowie seltene Ursachen (wie subtotale Aganglionose und Trauma).
Die absolute Länge des verbliebenen Dünndarms ist dabei unerheblich. Die Adaptationsfähigkeit des Darmes ist im Früh- und Neugeborenenalter jedoch groß. Je nachdem, welcher Darmabschnitt fehlt und wie viel Restdarm übrigbleibt, treten unterschiedliche Symptome und Komplikationen auf. Im Vordergrund stehen mangelndes Gedeihen, Durchfälle, Bauchschmerzen und Salzverlust.
Diagnostik
Die Diagnostik des chronischen Darmversagens hängt von vielen Faktoren ab, wie der Ursache der Erkrankung, der verbliebenen Länge des Dünn- und Dickdarms, der Notwendigkeit einer langzeitparenteralen Ernährung, dem Vorhandensein eines zentralen Venenkatheters sowie etwaigen Stomata. Zur Bestimmung der Restlänge des Darmes können Röntgenuntersuchungen, wie eine Magendarmpassage, oder eine Kernspintomographie (Hydro-MRT) notwendig sein.
Unser Behandlungskonzept
In unserem Zentrum behandeln wir chronisches Darmversagen interdisziplinär und interprofessionell. Ein Team aus der pädiatrischen Gastroenterologie, der Endokrinologie, der Physiotherapie, der Ernährungsberatung, der Psychologie und der Kinderchirurgie betreut alle Kinder und Jugendliche. Für Erwachsene haben wir eine Transitionssprechstunde gemeinsam mit der Endoskopie und Viszeralchirurgie eingerichtet. Diese interdisziplinäre Rehabilitation führt bedeutend häufiger zur enteralen Autonomie.
Die Zusammensetzung und Art der oralen Therapie wird gemeinsam und multiprofessionell festgelegt und verfolgt. Ein Überfüttern des zu kurzen Dünndarms führt häufig zu Unverträglichkeiten wie Darmschlingen-Dilatation, Erbrechen, Durchfällen und Nahrungsunverträglichkeiten. Daher sollte die orale Zufuhr niemals erzwungen werden. In Kontrast hierzu steht die kontinuierliche Sondenernährung, welche zu einer Dünndarm-Dilatation und Transportproblemen mit bakterieller Fehlbesiedlung führen kann. Die bakterielle Fehlbesiedlung stellt eines der größten Probleme in der Behandlung des chronischen Darmversagens dar.
Die Therapie des chronischen Darmversagens beinhaltet neben der optimalen Symptomkontrolle und Nährstoffversorgung auch die Vermeidung von Infektionen und anderen Komplikationen. Die optimale Adaption des Restdarms hat oberste Priorität, um letztlich die intestinale Autonomie zu erreichen. Grundsätzlich erfolgt die Therapie zunächst konservativ. Somit wird Muttermilch so lange wie möglich aufgrund ihrer trophischen Wirkung empfohlen. In den meisten Fällen erfolgt eine parenterale Ernährung über einen zentralen Katheter, wie der sogenannte Broviac oder Hickman Katheter um dann auch eine häusliche parenterale Ernährung (HPN) erfolgen kann. Stoffwechselprobleme wie D-Laktatazidose und bakterielle Fehlbesiedlung müssen ebenfalls berücksichtigt und behandelt werden. Dazu gehören Maßnahmen wie Diätberatung, zyklische nicht-resorbierbare Antibiotika und in manchen Fällen Medikamente wie Cholestyramin.
Seitens der Kinderchirurgie müssen Komplikationen vorangegangener Eingriffe, wie Stenosen, Fisteln und blinde Schlingen, aufgespürt und mit rehabilitativen Eingriffen beseitigt werden. In manchen Fällen besteht eine ausgeprägte Dilatation des verbleibenden Dünndarms mit bakterieller Fehlbesiedlung, die zu wiederkehrenden septischen Episoden führen. Durch „darmverlängernde“ Operationen kann der Durchmesser des Dünndarms normalisiert und die Fehlbesiedlung bekämpft werden. In unserem Zentrum führen wir zwei Verfahren durch: das Longitudinal Intestinal Lengthening and Tailoring (LILT oder Bianchi-Prozedur) und die Serial Transverse Entero-Plasty (STEP). Zur Feststellung einer Indikation für eine LILT- oder STEP-Prozedur werden individuelle Faktoren des Patienten, wie das Alter, die gegenwärtige Anatomie des Darmes, der Ernährungszustand, die Leberfunktion und vorliegende Komorbiditäten, besonders berücksichtigt.
Nachsorge
Alle Patienten mit chronischem Darmversagen werden in unserem Zentrum strukturiert und multimodal nachbetreut. Die Nachsorge kontrolliert vor allem gastrointestinale Komplikationen, Gedeihstörungen, Leber- und Stoffwechselstörungen, sowie Nephro- und Osteopathien. Bei gut eingestellten Fällen erfolgen laborchemische Kontrollen zweimal jährlich, wobei Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenparameter, Vitamine, Spurenelemente und Hormone bestimmt werden. Zudem ist die Harnanalyse wichtig, um Elektrolytverluste nachzuweisen.
Regelmäßig müssen sonographische Untersuchungen der zentralen Gefäße beim Broviac/Hickman-Katheter durchgeführt werden, um Thrombosen oder Fehllagen des Katheters zu identifizieren. Auch das Abdomen wird sonographisch untersucht, um Dilatation und Peristaltik des Darms, sowie Veränderungen der Leber und Nieren zu überprüfen. Bei Verdacht auf bakterielle Fehlbesiedlung ist eine Pan-Endoskopie indiziert, welche die Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm und Dickdarm umfasst. Mit dieser Untersuchung können auch gastroösophagealer Reflux (GÖR) und Geschwüre im Dünndarm nachgewiesen werden.
Durch regelmäßige Kontrollen und umfassende Nachsorge streben wir eine optimale Adaption des Restdarms und die langfristige intestinale Autonomie der Patienten an.
Kontakt Viszeralchirurgie
PD Dr. Michaela Klinke
Donnerstag 08:30 - 14:30 Uhr
Erstberatung oder Zweitmeinung
Michaela.KlinkePetrowsky@ umm.de
Telefon 0621/383-5574
Publikationen unserer Mitarbeiter
- Waag K-L, Hosie S, Wessel L: What do children look like after longitudinal intestinal lengthening? Eur J Pediatr Surg (1999) 9: 260-262
- Kohl M, Wessel LM: Langzeitparenterale Ernährung bei Kindern mit Kurzdarmsyndrom. Pädiatr Prax (2005) 66: 285-294
- Reinshagen K, Adams R, Trunk M, Wessel LM: The chronic liver disease in patients with short bowel syndrome: etiology and treatment. Minerva Pediatr. 2009 Jun;61(3):273-81
- Krawinkel MB, Scholz D, Busch A, Kohl M, Wessel LM, Zimmer KP: Chronic intestinal failure in children. Dtsch Arztebl Int (2012) 109(22-23):409-15
- Khasanov R, Wessel LM, Schäfer KH: Role of enteric nervous system in tissue-engineering of functional muscle layer of the gut in short bowel syndrome. Neurogastroenterology and Motility, August 2018. Volume 30, Issue S1:169-169
- DeLaffolie J, Sheridan D, Reinshagen K, Wessel L, Zimmermann C, Stricker S, Lerch MM, Weigel M, Hain T, Domann E, Rudloff S, Nichols BL, Naim HY, Zimmer KP: Digestive enzyme expression in the large intestine of children with short bowel syndrome in a late stage of adaptation. The FASEB Journal 2020;34:3983-95
- Nagelkerke SCJ, Poelgeest MYV, Wessel LM, Mutanen A, Langeveld HR, Hill S, Benninga MA, Tabbers MM, Bakx R: Bowel Lengthening Procedures in Children with Short Bowel Syndrome: A Systematic Review. Eur J Pediatr Surg. 2022 Aug;32(4):301-309. doi: 10.1055/s-0041-1725187. Epub 2021 Mar 4. PMID: 33663008
- DeLaffolie J, Wessel LM, Kohl-Sobania M: Die Entstehung und Therapie des Kurzdarmsyndroms bei pädiatrischen Patienten (2023 in press)
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Hilfe & Beratung für Betroffene und Eltern bietet der Verein für Kinder in schwieriger Ernährungssituation